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Weiterleben

Hätte ich den Autor nicht durch Zufall in einer Talkshow gesehen, hätte ich sein Buch wahrscheinlich nie gelesen. Aber nach seinem Fernsehauftritt ist mir klar gewesen, dass ich die ganze (Lebens-)Geschichte erfahren möchte.

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Cover-Staudt
Die Rede ist von „Die Geschichte meines Selbstmords“ von Viktor Staudt. Einer wahren Geschichte, die der Niederländer aufgeschrieben hat, um anderen Mut zu machen. Viktor Staudt hat versucht sich umzubringen. Er sprang vor einen Zug, doch verloren hat er nicht, wie gewünscht, sein Leben, sondern seine Beine. Lange hat er jeden Tag damit zugebracht zu überlegen, wie er das Begonnene vollenden kann – bis er endlich eine Psychologin fand, die ihn ernst nahm, und eine Ärztin, die ihm letztlich helfen konnte. Die Diagnose: Borderline-Syndrom und eine damit verbundene Depression.

Somit gewinnt der Untertitel des Buches an Bedeutung: „… und wie ich das Leben wiederfand“. Denn genau das erzählt der studierte Jurist: wie er aus dem Nichts wieder aufgetaucht ist. Er, der Schwimmer, ist fast untergegangen – heute zieht er erneut seine Bahnen.

Die einzelnen Kapitel beleuchten Puzzlesteine seines Lebens: Da ist der kleine Junge, der alles schwarz-weiß sah, da ist der Jugendliche und junge Erwachsene, der versuchte, seine Panikattacken mit kaltem Wasser wegzuspülen, der Mann, der Sport treibt und durchtanzt, aber keine echten Bindungen eingehen kann, der immer mehr trinkt, um sich nicht zu spüren.

Und dann beschreibt er Episoden seines Krankenhaus- und Rehaaufenthalts. Wie es war, ohne Beine wieder aufzuwachen, seine Phantomschmerzen und Phantomfreunde, wie er die Kontakte aus Suizid-Internetforen nennt. Nach und nach fügen sich die einzelnen Bildausschnitte zu einem Ganzen.

Dank geeigneter Medikamente hat Viktor Staudt seine Ängste seit vielen Jahren im Griff. Er engagiert sich in der Selbstmordprävention, hält Vorträge, gibt Workshops und unterstützt Menschen, die depressiv sind.

In der Talkshow, die ich gesehen habe, war der Autor ein charismatischer Mann, der etwas zu sagen hat. Das spiegelt sich auch in seinem aufwühlenden Buch wieder.

Viktor Staudt
Die Geschichte meines Selbstmords
Droemer, München 2014


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